Beitrag über den Klima Wandelung die Konsequenzen in Bangladesch. Publikation: Mittelbayerische Zeitung
Feature about the climate change and the consequences of it in Bangaldesh. Publication: Mittelbayerische Zeitung
UMWELT Der Quell des Lebens wandelt sich zu einer zerstö- rerischen Kraft. Durch den Klimawandel steigt der Meeresspiegel und der Raum für die Menschen wird knapp.
DHAKA. Die Wellen sind nicht allzu hoch, maximal einen Meter. Das Was- ser ist so klar, dass man den nur von Sand bedeckten Boden sieht. Tausende Touristen tummeln sich im Wasser. Am Strand scharen sich Familien um die orangefarbenen Liegen und Son- nenschirme, dazwischen Händler, die Tee, Süßigkeiten und Schmuck ver- kaufen. In der Ferne ragt die Skyline aus Neubauten und den Rohbauten zukünftiger Hotels hervor.
Cox’s Bazar, eine Region, die mit 120 Kilometern angeblich den längs- ten Sandstrand der Welt besitzt, ist das Touristenziel in Bangladesch. Jedes Jahr reisen Millionen dorthin. Doch Cox’s Bazar ist auch eines der von der globalen Erwärmung betroffenen Ge- biete in Bangladesch.
Mehr Stürme und Fluten drohen
Durch die globale Erwärmung steigt der Meeresspiegel in Cox’s Bazar unge- fähr 7,8 Millimeter pro Jahr. Für ein Land, das fast auf Meeresebene liegt, verheerend. Bis jetzt wurde schon fast ein Kilometer der Landmasse aufge- fressen. Auf lange Sicht hin führen Meeresspiegelanstieg und vermehrte Zyklone zu Frischwassermangel, zer- störten Lebensräumen, weniger An- baufläche, und Rückgang des Lebens- raums für Menschen. Eine andere Fol- ge der steigenden Temperatur sind die
vermehrt auftretenden Hurrikane und Sturmfluten an der Küste. Wie 2007, mit dem Wirbelsturm Sidr, der eine über acht Meter hohe Sturmflut brach- te. Die Schäden waren so groß, dass die Nahrungsmittelproduktion für ein Jahr außer Kraft gesetzt war. Ainun Nishat, Vizepräsident der Universität BRAC und Experte für Klimafragen, fuchtelt mit seinen Armen: „Die Ge- sellschaft von Bangladesch ist so groß, dass wir gerade genug für uns selber an Nahrungsmitteln produzieren kön- nen. Es geht gut, so lange es keine kli- matischen Probleme gibt.“
Bauern passen sich an
Die Sonne steht steil über den Feldern in Barishabo, die durch Wasserläufe und Hügel in Parzellen unterteilt sind. Die grünen Parzellen bedeuten, dass der Reis erntefertig ist, schwarz, dass gerade bepflanzt wird. Dazwischen graben Menschen den Boden um, ste- hen bis zu ihren Knien versenkt in dem Schlamm, andere hocken vor den handlangen Halmen, reißen sie bü- schelweise aus und stecken sie in einen Sack. Winterzeit im Distrikt Ga- zipur. Es ist die Jahreszeit für den Boro Reis, eine Sorte, die während der von Trockenheit geprägten Winterzeit an- gepflanzt wird. 75 Prozent der Fläche in Gazipur wird für Landwirtschaft ge- nutzt. Die meisten der Anwohner ver- dienen ihr Geld mit dem Anbau von Reis und anderen Nahrungsmitteln. In dieser Region sind die Effekte des Kli- mawandels ganz anders zu sehen. In Bangladesch gibt es sechs Jahreszeiten. Den Frühling, Sommer, Monsun, Herbst, Spätherbst, Winter. Die Bauern richten sich danach, seit Jahr- hunderten. Doch alles ist verquer. Es regnet, wenn es nicht regnen soll, es gibt lange Dürreperioden und der Winter ist so kalt, dass es manchmal
Frost gibt. Dazu kommen Über- schwemmungen, die es schon immer gab, aber nicht so oft. „Die Jahreszeiten verschieben sich schnell und dras- tisch“, sagt Doktor S.M. Imamul Huq, Professor des Instituts für Erde, Was- ser und Umwelt an der Universität Dhaka. Er fügt hinzu: „Jedoch waren und sind die Bauern sehr gut darin, sich auf neue Lebenssituationen ein- zustellen.“ Dies bedeutet neue Anbau- methoden für Reisarten, die schneller wachsen und witterungsbeständig sind, oder auch die Aushöhlung der Flusswege und Verhinderung des Überlaufes der Flusswege. Doch es gibt noch andere Probleme. Neben der Ab- holzung der Wälder, der Überproduk- tion an Ziegelsteinen und dem damit verbundenen Abbau von der für den Anbau von Lebensmitteln wichtigen Erde stellt der Dammbau auf indischer Seite eine Bedrohung dar.
Die Straßen in Dhaka sind dicht, Autos aus allen Richtungen, Taxis und Rikschas. Die Stadt ist voll von Men- schen, und jeden Tag kommen mehr. Derzeit umfasst die Bevölkerung 13,5 Millionen. 2025 sollen es 22 Mil- lionen sein. Dhaka gehört zu den am dichtesten besiedelten Städten auf der Welt. Zwar ging die Geburtenrate laut
World Bank von 6,4 Kinder pro Frau auf 2,3 zurück, doch die Lebenserwar- tung stieg. Die Landbewohner verlas- sen ihre Heimat. Zu geringer Ertrag oder der Verlust des eigenen Hab und Guts durch Flut oder Hurrikan sind die Gründe. Doktor S.M. Imamul Huq vertritt eine andere Meinung: „Viele kommen in die Stadt weil es hier ein- fach ist, Geld zu verdienen.“ Ein Rik- schafahrer verdient mehr als ein Bauer.
Vor allem die Ärmsten leiden
Das Resultat dieser Bevölkerungsver- schiebung: In den Straßen der ver- schiedenen Viertel gibt es Kanäle für das Wasser während der Monsunzeit. Diese Kanäle werden mittlerweile von Zugezogenen bewohnt. Regnet es stark, gibt es keine Abflussmöglich- keit. Die Ausmaße einer Überflutung dieser Gebiete sind extrem. „Es trifft immer die Ärmsten der Armen.“ Pro- fessor Ainun Nishat hat diese Antwort schon tausendmal gegeben. Genauso wie er die Frage, warum der Staat nicht einschreitet, schon oft gehört hat. „Er tut es ja. Sorgt für Geburtenvorsorge und hilft mit Projekten. Das Problem ist, dass die Regierung kein Geld hat. Würde sie die Steuern erhöhen, wür- den die ausländischen Firmen das Land verlassen.“ Deshalb gibt es keine Umweltsteuer, von der Erhöhung des Mindestlohns nicht zu sprechen.
Professor Ainun Nishat sieht die Zukunft ungewiss. „Wir sind zu leicht verwundbar.“ Doktor S.M. Imamul Huq hingegen verleugnet die Klimaef- fekte zwar nicht, doch er bleibt zu- rückhaltend bei der Beurteilung: „Ich kann es nicht verneinen, dass wir von einer Klimakatastrophe gefährdet sind. Ich bin aber sehr vorsichtig, dem Klimawandel alles in die Schuhe zu schieben.“
In Bangladesch ist das Wasser der Feind
Februar 2012, Dhaka, Bangladesch
Beitrag über den Klima Wandelung die Konsequenzen in Bangladesch. Publikation: Mittelbayerische Zeitung
Feature about the climate change and the consequences of it in Bangaldesh. Publication: Mittelbayerische Zeitung
UMWELT Der Quell des Lebens wandelt sich zu einer zerstö- rerischen Kraft. Durch den Klimawandel steigt der Meeresspiegel und der Raum für die Menschen wird knapp.
DHAKA. Die Wellen sind nicht allzu hoch, maximal einen Meter. Das Was- ser ist so klar, dass man den nur von Sand bedeckten Boden sieht. Tausende Touristen tummeln sich im Wasser. Am Strand scharen sich Familien um die orangefarbenen Liegen und Son- nenschirme, dazwischen Händler, die Tee, Süßigkeiten und Schmuck ver- kaufen. In der Ferne ragt die Skyline aus Neubauten und den Rohbauten zukünftiger Hotels hervor.
Cox’s Bazar, eine Region, die mit 120 Kilometern angeblich den längs- ten Sandstrand der Welt besitzt, ist das Touristenziel in Bangladesch. Jedes Jahr reisen Millionen dorthin. Doch Cox’s Bazar ist auch eines der von der globalen Erwärmung betroffenen Ge- biete in Bangladesch.
Mehr Stürme und Fluten drohen
Durch die globale Erwärmung steigt der Meeresspiegel in Cox’s Bazar unge- fähr 7,8 Millimeter pro Jahr. Für ein Land, das fast auf Meeresebene liegt, verheerend. Bis jetzt wurde schon fast ein Kilometer der Landmasse aufge- fressen. Auf lange Sicht hin führen Meeresspiegelanstieg und vermehrte Zyklone zu Frischwassermangel, zer- störten Lebensräumen, weniger An- baufläche, und Rückgang des Lebens- raums für Menschen. Eine andere Fol- ge der steigenden Temperatur sind die
vermehrt auftretenden Hurrikane und Sturmfluten an der Küste. Wie 2007, mit dem Wirbelsturm Sidr, der eine über acht Meter hohe Sturmflut brach- te. Die Schäden waren so groß, dass die Nahrungsmittelproduktion für ein Jahr außer Kraft gesetzt war. Ainun Nishat, Vizepräsident der Universität BRAC und Experte für Klimafragen, fuchtelt mit seinen Armen: „Die Ge- sellschaft von Bangladesch ist so groß, dass wir gerade genug für uns selber an Nahrungsmitteln produzieren kön- nen. Es geht gut, so lange es keine kli- matischen Probleme gibt.“
Bauern passen sich an
Die Sonne steht steil über den Feldern in Barishabo, die durch Wasserläufe und Hügel in Parzellen unterteilt sind. Die grünen Parzellen bedeuten, dass der Reis erntefertig ist, schwarz, dass gerade bepflanzt wird. Dazwischen graben Menschen den Boden um, ste- hen bis zu ihren Knien versenkt in dem Schlamm, andere hocken vor den handlangen Halmen, reißen sie bü- schelweise aus und stecken sie in einen Sack. Winterzeit im Distrikt Ga- zipur. Es ist die Jahreszeit für den Boro Reis, eine Sorte, die während der von Trockenheit geprägten Winterzeit an- gepflanzt wird. 75 Prozent der Fläche in Gazipur wird für Landwirtschaft ge- nutzt. Die meisten der Anwohner ver- dienen ihr Geld mit dem Anbau von Reis und anderen Nahrungsmitteln. In dieser Region sind die Effekte des Kli- mawandels ganz anders zu sehen. In Bangladesch gibt es sechs Jahreszeiten. Den Frühling, Sommer, Monsun, Herbst, Spätherbst, Winter. Die Bauern richten sich danach, seit Jahr- hunderten. Doch alles ist verquer. Es regnet, wenn es nicht regnen soll, es gibt lange Dürreperioden und der Winter ist so kalt, dass es manchmal
Frost gibt. Dazu kommen Über- schwemmungen, die es schon immer gab, aber nicht so oft. „Die Jahreszeiten verschieben sich schnell und dras- tisch“, sagt Doktor S.M. Imamul Huq, Professor des Instituts für Erde, Was- ser und Umwelt an der Universität Dhaka. Er fügt hinzu: „Jedoch waren und sind die Bauern sehr gut darin, sich auf neue Lebenssituationen ein- zustellen.“ Dies bedeutet neue Anbau- methoden für Reisarten, die schneller wachsen und witterungsbeständig sind, oder auch die Aushöhlung der Flusswege und Verhinderung des Überlaufes der Flusswege. Doch es gibt noch andere Probleme. Neben der Ab- holzung der Wälder, der Überproduk- tion an Ziegelsteinen und dem damit verbundenen Abbau von der für den Anbau von Lebensmitteln wichtigen Erde stellt der Dammbau auf indischer Seite eine Bedrohung dar.
Die Straßen in Dhaka sind dicht, Autos aus allen Richtungen, Taxis und Rikschas. Die Stadt ist voll von Men- schen, und jeden Tag kommen mehr. Derzeit umfasst die Bevölkerung 13,5 Millionen. 2025 sollen es 22 Mil- lionen sein. Dhaka gehört zu den am dichtesten besiedelten Städten auf der Welt. Zwar ging die Geburtenrate laut
World Bank von 6,4 Kinder pro Frau auf 2,3 zurück, doch die Lebenserwar- tung stieg. Die Landbewohner verlas- sen ihre Heimat. Zu geringer Ertrag oder der Verlust des eigenen Hab und Guts durch Flut oder Hurrikan sind die Gründe. Doktor S.M. Imamul Huq vertritt eine andere Meinung: „Viele kommen in die Stadt weil es hier ein- fach ist, Geld zu verdienen.“ Ein Rik- schafahrer verdient mehr als ein Bauer.
Vor allem die Ärmsten leiden
Das Resultat dieser Bevölkerungsver- schiebung: In den Straßen der ver- schiedenen Viertel gibt es Kanäle für das Wasser während der Monsunzeit. Diese Kanäle werden mittlerweile von Zugezogenen bewohnt. Regnet es stark, gibt es keine Abflussmöglich- keit. Die Ausmaße einer Überflutung dieser Gebiete sind extrem. „Es trifft immer die Ärmsten der Armen.“ Pro- fessor Ainun Nishat hat diese Antwort schon tausendmal gegeben. Genauso wie er die Frage, warum der Staat nicht einschreitet, schon oft gehört hat. „Er tut es ja. Sorgt für Geburtenvorsorge und hilft mit Projekten. Das Problem ist, dass die Regierung kein Geld hat. Würde sie die Steuern erhöhen, wür- den die ausländischen Firmen das Land verlassen.“ Deshalb gibt es keine Umweltsteuer, von der Erhöhung des Mindestlohns nicht zu sprechen.
Professor Ainun Nishat sieht die Zukunft ungewiss. „Wir sind zu leicht verwundbar.“ Doktor S.M. Imamul Huq hingegen verleugnet die Klimaef- fekte zwar nicht, doch er bleibt zu- rückhaltend bei der Beurteilung: „Ich kann es nicht verneinen, dass wir von einer Klimakatastrophe gefährdet sind. Ich bin aber sehr vorsichtig, dem Klimawandel alles in die Schuhe zu schieben.“
Fotos/ Text: Evi Lemberger
Publikation: Mittelbayerische Zeitung
Bangladesch