Zwischen Schnee und Blitzlichtgewitter

September 2012, Schnatztal, Österreich

Beitrag über den Schafabtrieb im Schatztal, Österreich für das Magazin Päng.

Feature about the Sheepfarming in Schnatztal, Österreich for the magazine Päng.

Erinnerungen eines Schafes an einen Sommer

2.000 Schafe aus Südtirol weiden jeden Sommer im österreichischen Ötztal. Ende August werden sie wieder zurückgetrieben. Der Weg führt nicht nur über Gletscher und Geröll, sondern auch Mensch und Tier an ihre Grenzen.

Da hat uns das Wetter wohl einen Strich durch die Rechnung gemacht. Eigentlich sollten wir bei solchen Bedingungen längst unten sein. Es schneit, es ist nass und kalt. Ich muss aufpassen, dass meine Hufe nicht auf dem feuchten Boden ausgleiten. Überall ist Gewimmel. 2.000 Schafe warten darauf, dass es los geht, zurück nach Hause ins Schnalstal in Südtirol. Stimmen, Geschnatter, Geblöke. Ich kaue nervös auf einem Grashalm.

Momentan sind wir auf 2.500 Meter über dem Meeresspiegel. Jetzt gleich geht es zur Similaunhütte auf 3.100 Meter und dann wieder über das Niederjoch zu Vernagt am See auf 1.700 Meter. Sieben oder acht Stunden dauert der Weg, ziemlich zackig geht es rauf und runter. Eigentlich alles nicht so schlimm – herwärts bin ich schließlich auch gekommen. Aber da war kein Schnee und über den Gletscher mussten wir auch nicht. Man hat mir Geschichten erzählt von anderen Schafen, die über die Klippen gesprungen und elendig verendet sind.

Nervös machen mich auch die Blitzlichter. Die ganze Welt schaut heute auf uns. Oder zumindest die gesamte Terrasse der Almhütte mit all den Touristen und Fotografen und den anderen Wahnsinnigen, die sich die Tradition nicht entgehen lassen wollen. Die mögen uns, wir sind nämlich Weltkulturerbe, sagt UNESCO.

Der Schäfer und seine Helfer wandern zwischen den Gruppen, suchen, werfen noch einen letzten Blick auf uns. Endlich kommt Bewegung in die Massen. Um mich herum so weit ich sehen kann Beine, trotten, gleichmäßig, gemächlich. Ich achte auf meinen Weg. Über meine Hufe stolpern oder gar mein Fell verdrecken – das wäre mir peinlich. Schließlich sind die Kameras auf uns gerichtet.

Unser Auslandsaufenthalt ist eine uralte Tradition. Die Idee wurde 1415 geboren, als das Schnalstal noch österreichisch war. In der Zeit reichte das Heu nicht für Winter und Sommer und deshalb bekamen die Schnalser Bauern Weideland auf den Venter Almen zugesprochen. Als dann 1919 nach dem Ersten Weltkrieg die Grenzen neu gezogenen wurden, fielen wir an Südtirol ab, aber die Grundstücke im Ötztal blieben bei uns.

Weideland hätten wir jetzt auch auf der anderen Seite genug, aber wir kommen immer noch, von Juni bis August. Wegen der Tradition, der Liebe und vielleicht der EU-Fördergelder. Die Touristen kommen wegen uns, sagen sie, wir seien für die tollen Wanderwege verantwortlich und die sogenannte Kulturlandschaft schieben sie uns auch noch in die Hufe.

 

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Es geht über Geröll und Gestein, steil und unwegig. Ein paar Besserwisser, Rebellen und Möchtegerne laufen von der Menge weg, über den kleinen Bach, werden aber gleich wieder von den Schäfern und deren Hunden zurückgescheucht. Ich denke an den Sommer, der nun vorbei ist. Die Venter Weiden. Versteckspielen mit meinen Freunden. Vollmondgucken. Würziges grünes Gras.

Da oben wurde ich übrigens auch geboren, im letzten Jahr. Kurz bevor es nach Hause ging. Das war toll, denn da durfte ich in einen Korb und wurde während des Nachhausewegs von einem jungen Helfer getragen, sehr bequem. Dieses Jahr muss ich mit allen anderen gehen. Zum ersten Mal. Deswegen auch die Angst. Man hört ja viel.

Ich sehe zu unserem Schäfer Johann Götsch. Es ist beruhigend, dass er da ist. Er kennt uns alle, jeden Einzelnen. Er sagt immer, genauso wie beim Menschen hat jedes Schaf sein eigenen Gesicht. Ganz allein war er mit uns auf der Venter Weiden den Sommer über. Obwohl, so ganz stimmt das auch nicht, denn seine Frau wohnt seit Neuestem bei ihm, weil er eine neue Schäferhütte bekommen hat. Das ist endlich was Angemessenes für eine Dame, vor allem für eine aus dem Flachland. Zuvor lebte er in einem kleinen Verschlag, aus Stein gebaut. Ein Zimmer, Steinboden, sonst nichts.

Der Johann (oder auch Giovanni) ist ein super Typ, total gelassen, lässt sich nicht stressen. Freunde von mir steckten schon in Spalten fest, verirrten sich oder hatten einfach Schiss – der Giovanni hat nie geschimpft und immer geholfen, auch wenn er sein eigenes Leben dabei riskiert hat. Ich mag ihn, obwohl er eigentlich Metzger ist, im Winter. Schlimm war es nur, wenn er uns seinen Hund nachschickte. Der war so schnell und schrie so laut. Da kriegt man es schon mit der Angst zu tun – obwohl, gemacht hat er nie was.

Über den Gletscher drüber hat geklappt, jetzt geht es noch einmal steil bergab. Meine Beine tun weh, mein Fell ist durchgeschwitzt. Aber für Ablenkung und Unterhaltung ist gesorgt. Es gibt schließlich immer ein paar Sturböcke, die wollen einfach nicht heim und schlagen sich dann heimlich in die Büsche. Oder auch Nörgler, denen passt nie was. Oder einige andere, die aus der Reihe springen. Lustig sind auch die Touristen und Fotografen. Die wissen gar nicht, wie sie mit uns umgehen sollen. Manche wollen Hallo sagen und trauen sich nicht recht.

Schade, dass ich meine neu gewonnenen Freunde lange nicht mehr sehen werde. Oder vielleicht auch gar nicht mehr. Man weiß ja nie, was mit uns passiert. Aber jetzt freue ich mich erst mal auf meinen Stall. Auf mein Heu. Und auf meinen Schlafplatz. Ach je, die drücken hinter mir. Wo ist denn mein Leitschaf. Ui, jetzt muss ich mich jetzt aber beeilen.

Text: Evi Lemberger/ Franziska Schramm

Fotos: Evi Lemberger

Recherche: Evi Lemberger

Publikation: Päng Ausgabe

 

Tue, Jan 8, 2013 at 11:59 AM

Girl!

Ich hab mir grad nochmal deinen Themenvorschlag durchgelesen mit den Kühen.
Und ich weiß nicht, obs an meiner momentanen Verfassung liegt, aber ich hatt grad Pipi in den Augen.
Genau das soll Päng! ja sein. Den Fokus auf Menschen setzen, die sich mit Dingen beschäftigen, die für andere vielleicht nicht essentiell sind auf den ersten Blick.
Aber die das alles hier doch so lebenswert machen.
Ich hätte die Geschichte doch sehr sehr gern.

Ein amüsantes Projekt über die etwas andere  Art sich zu präsentieren, aber auch ein Projekt über die schönen kleine Dinge im Leben, die es sich lohnt mal auf die Bühne zu holen.

Portrait mit Bauer und Fotograf. Und dann Reportage über ihre gemeinsame Arbeit.
Was meinste?
Heut Abend kommt übrigens noch mal ne Rundmail mit dem neuen Zeitplan für Päng!#4. Hat sich alles bissl verschoben.
Baci aus Stuttgart
(Auszug aus einer E Mail von Josephine Götz, Chefredakteur des Magazines Pängs)
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