Die Sorge um das, was man gern hat

April 3013, Lam, Deutschland

Interview mit Herbert Pöhnl. Publikation: Kötztinger Umschau

Interview with Herbert Pöhnl. Publication: Kötztinger Umschau

KLEINKUNST Ein Gespräch mit Herbert Pöhnl über die Beweggründe zu seinem neuen Programm „Homadl_Inside“

LANDKREIS. Hinter die Kulissen des Bayerischen Waldes wollen sie blicken und blicken lassen – ein Anspruch, den die drei Bayerwaldler Herbert Pöhnl, Roland Pongratz und Sven Och- senknecht an ihr Programm „Ho- madl_Inside“ haben. Die aus Ton, Text und Bild bestehende Veranstaltung findet an diesem Samstag, 13. April, im Waldeck in Lam statt. Gepaart mit Hu- mor, Poesie und der Suche nach dem Ungewöhnlichen im Alltäglichen füh- ren die drei Künstler die Zuschauer in ihre ganz persönliche Version von Hei- mat. In einem Gespräch gibt der Jour- nalist, Fotograf und Kabarettist Her- bert Pöhnl vorab einen kleinen Ein- blick in seine Arbeit, seine Gedanken und seine Version von Heimat.

Hoamadl_Inside ist deine dritte Show. Wie kam es dazu?

„Hoamadl_Inside“ ist die Weiter- entwicklung unserer Programme „Wo bitte liegt Hinterbayern!“ und „Koa- werbung“. In diesem Programm woll- ten mein Partner Roland Pongratz und ich etwas, das gar nichts mit Gitarre und Ziehharmonika zu tun hat. Des- wegen holten wir uns Sven Ochsen- bauer, einen begnadeten Jazzmusiker aus Viechtach, dazu. Der spielt Instru- mente, die gar nichts mit Volksmusik zu tun haben, aber es ist doch zum Teil Volksmusik, aber ganz frei.

Musik mit Text und Bild zu vermischen, das macht ihr schon seit 12 Jahren- wie kamt ihr zu dieser Idee?

Die Idee Musik in ein Programm richtig zu integrieren, hatte ich schon Mitte der 90er, als ich für das Magazin Lichtung schrieb und mit anderen Au- toren im Rahmen von Lesungen auf- trat. Wir hatten damals schon Musik, aber nur am Rande. Die Idee entwi- ckelte sich, bis ich schließlich 1999 nach Mitstreitern, suchte. Ich wusste, ich wollte etwas mit Volksmusik ma- chen, aber Volksmusik die schräg ist, die frech ist, die ironisch ist. Ich kann- te mich sehr gut in der lokalen Musik- szene aus und so kam ich an Roland Pongratz. Er holte noch Hartwig Löff- flmann dazu und drei Stunden vor un- serem ersten Auftritt im Jahr 2000 wa- ren wir mit Christoph Pfeffer und Theo Hofmann komplett.

„Mir ham no nie gestritten“ sagst du in ei- nem Zeitungsbericht über eure Gruppe. Stimmt das und wenn ja, wie funktioniert das?

Zwei Sachen treffen auf uns zu. Wir haben noch nie geprobt und nie ge- stritten. Das ist seltsam. Das ist so ein blindes Einverständnis zwischen uns allen. Wenn ich einen Text lese, der ein bisschen ironisch und humoris- tisch ist und dann zu den anderen sage „Spielt was drauf!“, dann spielen sie das Rehragout, aber in einer ironischen Weise, so schwungvoll und voll von Energie, das ist der Wahnsinn.

Bei 80 Auftritten wart ihr 70 mal ausver- kauft – woran liegst?

Zum einen liegt es daran, dass wir nur sechs oder siebenmal im Jahr spie- len. Wir wollen, dass es uns selber ge- fällt und dass die Leute nicht sagen „Na, de schon wieda!“. Und ich denke, wir sprechen auch etwas an, auf das viele Menschen warten.

Ihr beschäftigt euch sehr viel mit unserer Heimat-Region. Warum?

Ich bin halt da und sehe Sachen, die links und rechts um mich herum pas- sieren. Wie zum Beispiel meinen Schwiegervater, der in Rittsteig lebt und sich darüber beklagt, dass ein Bach zugeschüttet wird. Ich bin halt da und ich kann nicht still sein.

Und warum dann gleich Hoamadl?

Weil mir keine besserer Begriff für dieses Programm einfällt. Heimat, den

ke ich, ist auch die Beschäftigung mit dem Alltag. Dann kommt lange nichts mehr und dann kommt das Zurückliegende. Das ganze Stifter- und Emerenz- Meier-Zeug ist langweilig oder fast falsch.

Warum?

Man soll man sich nicht mit Sachen beschäftigen die 150 Jahre zurückliegen. Sich immer nur mit der Vergangenheit zu beschäftigen, ist eine totale AblenkungvondeneigentlichenProb- lemen. Ich möchte über die Gegenwart reden, über die baumlosen Dörfer, über das Fernpendeln, über Gewässer- aufschüttung. Das ist mein Heimatansatz.

Was ist Heimat für dich?

Heimat ist mein Umfeld. Wenn ich das Gefühl habe, mitmischen zu wol- len und zu dürfen. Geschichten erzäh- len zu können, jeden Tag kleine Ausei- nandersetzung zu haben, haben zu dürfen. Zu sagen „Mei, schau moi her“. Zur Heimat gehört auch die Sorge, denn wenn man etwas richtig gern hat, dann darf man sich auch Sorgen machen. Aber ich bin nicht verbittert und missionarisch.

Das Ziel eures Abends?

Das Ziel unserer Arbeit ist es, zu verunsichern, zu provozieren, jeman- den dazu bringen zu grübeln, nachzu- denken. Sachen, die feststehen, aus einem anderen Blickwinkel zu betrach- ten. Auch Menschen mitzureißen. Letzte Woche waren wir in Wiesenfel- den. In der Mitte eines Stücks ging es um die Wochentage ‚Moda, Iada, Mi- cha, Pfinsta‘. Als dann auf einmal alle Zuschauer ‚Freida, Samsta und Sunta‘ weitersangen, war ich schon sehr begeistert.

Du hast in deinen Fotos und Texten ein sehr spezielles Augenmerk auf skurrile Details?

Humor oder besser gesagt Ironie ist wichtig in meiner Arbeit. Ironie pro- voziert, und mit einem Schuss Ironie ist alles nicht mehr ganz so ernst. Auch regt es zum Grübeln an. Eine Kirche ist eine Kirche, aber sieht man einen Punkt, wo du schmunzeln musst, dann bewegt sich etwas in dei- nem Kopf. Und es wäre schön, wenn Menschen anfangen, mehr nachzu- denken.

Glaubst du, du könntest mit einem eurer Abende etwas verändern?

Wenn man bedenkt, dass nur 60 von 6000 Menschen, die in einer Regi- on um Lam leben, zu der Veranstal- tung kommen, wird man sich be- wusst, dass man nicht so viele Menschen erreicht. Ich glaube, es geht vielmehr darum, dass möglichst viele Leu- te etwas machen und dadurch ein Bewusstsein für die eigene Region erzeugt wird.