Beitrag über das Tanzcafe in Lam für das Magazin Muh.
Feature about the dancing cafe in lam for the magazine Muh.
Es war das Tanzcafé in der Gegend. Dort wo man gesehen und gesehen wird. Eines das seines Gleichen suchte, das Besucher aus der Gegend und darüberhinaus regelmäßig an sich zog. Mit dem Chef, dem August Kroner, ein Chamour. Jemand der die Frauen um den Finger wickeln konnte halt. Der immer lächelte und gute Laune hatte, immer einen lockeren Spruch auf den Lippen hatte, einer der den Raum erstrahlen lies und jedes Lied mit jedem Instrument spielen konnte. Ein Showstar eben.
August Kroner und sein Tanzcafé „Kroner“, ein Lokal in dem kleinen Markt Lam, an der nördlichen Grenze des Bayerischen Waldes, erlangten in den 70er und 80er Jahren ein wenig Berühmtheit. 1996 wurde das Tanzcafé geschlossen.
August Kroner ist sein Sohn. Aufgewachsen in dem Tanzcafé war er von Anfang bis Ende dabei. Nina Kroner ist dessen Tochter und Augusts Kroners Nichte und ist kurz bevor das Café geschlossen wurde, geboren. Ein Rückblick auf eine vergangene Ära des Paartanzens, der Zelebrieren der Volksmusik, Schlager und Popmusik und der süßen Unterhaltung fern von DJs und Großraum Diskos.
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Was ist deine erste Erinnerung an das Café Kroner?
Gust: Mit zwei bis drei Jahren fangen meine ersten Erinnerungen an das Café an. Ich Weiß noch, dass ich mich sehr für die Musik interessiert habe. Ich hab selber als junger Mann dort bedient und mit abgeräumt. Im Hintergrund hat immer die Musik gespielt und ich habe die Musiker zum Teil selber kennengelernt. Deswegen mag ich Musik. Auch Musik, die sehr untypisch ist.
Nina: Du kennst auch die Musiktexte auswendig. Manchmal fragte ich mich woher du es kennst. Aber ist ja klar, wenn man Weiß, dass du mit Musik aufgewachsen bist.
Wie waren die Anfänge des Cafés?
Gust: Die Anfängen des Cafés waren vor meiner Zeit. Anfang der 40er Jahre wurde das erste Café Kroner von Alois und Monika Kroner, meinem Großvater und meiner Großmutter, gegründet. Das war aber noch in Lam selber und war nur ein Café und Konditorei, da Opa gelernter Konditor war. 1957 haben sie das Haus, wo das heutige Café steht, gebaut und sind 1958 eingezogen. Vater hat Konditor nach der Kriegszeit in Landshut gelernt. Er hat in den 50er Jahren das Café mit aufgebaut und, da er sein ganzes Leben lang Musik gemacht hat, schien es selbstverständlich ein Tanzcafé einzuführen.
Nina: Es war auch eine Zeit, in der man überall ein Tanzcafé hatte, bloß in der Lam noch nicht. Vielleicht hat er da ein Marktlücke entdeckt.
Gust: Es war damals das erste und einzige Tanzcafé in der Umgebung.
Welche Musikinstrumente hat dein August Kroner gespielt?
Gust: Mein Vater spielte eigentlich immer Bass, Gitarre, Geige, Schlagzeug
Nina: und Gesang
Welche Musikrichtungen spielte er?
Gust: Die Musik, die aktuell war. Querbeet von Rock’n Roll bis Volksmusik und er hat immer überall mitgespielt. Papi war auch ein Freund der Wiener Musik. Das war seine Herzensangelegenheit. Diese Musik liebte er noch mehr als seine Tanzmusik.
Wie kann man sich so ein Tanzcafé vorstellen?
Gust: In den guten Zeit des Cafés, in der noch Viele in das Tanzcafé gegangen sind, hatten wir vier mal die Woche Tanzveranstaltung. Zweimal Tanzen und zweimal Wiener Abende. Das kann man sich fast nicht mehr vorstellen. Es gab immer Live-Musik. DJs gab es damals noch nicht. Jeden Sommer gab es eine andere Band und im Winter auch. Papi hat immer entschieden welche Musik gespielt wurde. Er hat woanders gespielt und dann hat er auch Musiker kennengelernt und eingeladen in Lam zu spielen. Er hat sich immer an der gängigen Musikrichtung orientiert. In den 60igern wurde Beat und Rock ‘n Roll gespielt, in den 70 ern Schlager und alles was so aktuell war.
Der Bayerische Wald war ja in der Zeit sehr verschlossen. Wie haben die Leute diese Musik aufgenommen?
Gust: Ich glaub, es ist bei den jungen Leuten ganz gut angekommen. Zwar sagte man damals, dass die Gegend mit der Grenznaehe sehr zurückgeblieben sei, aber, zumindest zu meiner Jugendzeit, wollte Jugendliche auch etwas erleben. Und wenn jemand weggeht und dann wieder kommt, dann nimmt man das gerne an. Deswegen sagte mein Vater auch immer: es war eine ganz tolle Jugend.
Wie wurde das Café geführt?
Gust: Meine Mutter hat das ganze Wirtschaftliche gemacht. Wir haben später auch ausgekocht, also Essen angeboten. Das hat Mami und Tante übernommen. Mein Vater war viel unterwegs. In den Sommermonaten war er daheim. In den Wintermonaten auch, wenn viel los war. Dazwischen war er in Orten wie Plattling, Niederbayern, zum Musikmachen. Während seiner Wegfahrten hat er sich mehr musikalisches Wissen angeeignet und hat dieses Wissen mit nach Hause gebracht.
Wie lief das Tanzcafé über die Jahre?
Die besten Zeiten waren die 80er bis Mitte der 90er Jahre. Wir konnten später, als die Terrasse überdacht war, 180 Besucher unterbringen und im Schnitt war das Lokal immer über die Hälfte gefüllt. Unter der Woche hatten wir so 80 bis 120 Gäste- im Durchschnitt. Später haben wir auch Abends und Mittags ausgekocht. Es gab eine gute bayerische Küche und auch unsere Nachbarin hat immer in der Küche geholfen wenn es eng wurde. Wer Essen wollte kam früher. Die Musik selber ging um 8 Uhr los und spielte so bis gegen 12.
Es wird gesagt das Café Kroner, sei in den 80ern der Ort schlechthin zum Tanzen gewesen- Was denkst du?
Gust: Die Adresse von Mami und Papi war eine gute Adresse. Ich selber habe es anfangs nicht kapiert, weil ich zu jung dafür war. Mit der Zeit merkte ich auch, dass die Gäste aus verschiedenen Orten kamen. Mittwoch bis Samstag kamen auch immer die Gleichen. Später wurde mir bewusst, warum die Leute immer wieder kamen und dass es eine sehr gute Adresse war.
Nina: Hat man sich eigentlich schick angezogen?
Gust: In der Zeit der 50er bis 70er ist man auf den Veranstaltungen schon adrett angezogen gekommen. Anzug, Krawatte und Weiße Hemden. Man hat sich aber natürlich immer der Zeit angepasst.
Welches Publikum hattet ihr?
Gust: Das Publikum war gemischt. So gab es Feriengäste und lokale Gäste. Nachdem der Vater die Musik sehr gut beherrschte sind sehr viel Auswertige gekommen. Und so wie mein Vater und Mutter alt wurden, wurden mit ihnen auch die Stammgäste alt. Und die neue Generation interessierte sich für andere Dinge.
Betrachtet man das Tanzcafé gibt es ungewöhnliche Einrichtungsgegenstände wie die Spiegelwand oder die Sterntapete- wer war für die Einrichtung verantwortlich?
Gust: Mamis und Papis Café war für mich zeitlos. Es hat sich immer wieder angepasst, aber die Grundstruktur ist die Gleiche geblieben. An der Einrichtung sieht man schon, dass es sehr viele verschiedene Zeiten durchlebt hatte. Das Dekor und Einrichtungsgegenstände wie den Bezug und die Tischdecken waren von Mami.
Nina: Man muss sagen, dass Opa schon sehr künstlerisch veranlagt war und dass er viel selber gemacht hat. Relativ einfache Sachen wie die Spiegel mit doppelseitigen Klebeband an der Wand zu befestigen. Aber mit viel Liebe. Wie zum Beispiel der Sternenhimmel.
Gust: In der Anfangszeit hat er viel gemacht. Wie der Ballon. Der besteht aus ganz vielen Spiegelstücken. Den sah man zehn Jahre später auch in anderen Lokalen und Diskos. Er hat hat den Ball, glaube ich, geschenkt bekommen. Jemand wollte ihn wegwerfen. August wollte ihn dann aufhängen und hat dann gemerkt, dass er reflektiert und dann hatte er ihn immer mehr verbessert. Auch hat er den Raum und die Farben immer wieder verändert und der Zeit angepasst. Als in den 70er Jahren die wilde Zeit gekommen ist, hat er grellere Farben benutzt. Oder er hat Trennwände mit Kunstweintrauben und Blättern gekauft. Er hat die an den Wiener Musikabendenen zwischen die einzelnen Tischen gestellt, als würde man draußen im Weingarten sitzen. Angenommen, ich war mal vier Wochen weg, dann hat es ganz anders ausgesehen.
Eine andere Sache, die ich gehört habe war, dass er sehr charmant war er und eine unglaubliche Wirkung auf Frauen hatte. Stimmt das?
Gust (lacht): Das kann ich nur bestätigen.
Nina: Ich glaube das Äußerliche war sehr ansprechend und dann war er auch noch ein Musiker, bei dem man sicher denken kann, er wäre etwas draufgängerisch.
Gust: Er war immer anwesend. Auch wenn er nicht Musik machte. Er war immer am Eingang und begrüßte immer alle Gäste. Obwohl er auf Frauen eine sehr gute Wirkung gehabt hat, war er auch immer zu den Begleitern sehr nett.
Nina: Und zudem hat er etwas gemacht, dass ihn sehr gut bekommt hat. Das ist schon ansprechend auf Frauen. Da hat man schon besondere Wirkung.
Gust: Es gibt ein Lied, das ist von den Oberkreinern: Ein Musikant kennt kein Zuhause. Der Text trifft eins zu eins auf August zu. Der Text dreht sich um einen Musikanten der kein Zuhause kennt. Er ist immer präsent, er steht immer an vorderster Front. Er vermittelt echte Fröhlichkeit und Spaß, auch wenn er sich so gar nicht fühlt und so spielt er immer, nicht nur ein Instrument sondern auch sich selber. Hat man ein Restaurant, muss man vor den Leuten immer eine Rolle spielen, unabhängig davon wie man sich fühlt- und man muss sagen, es gab sehr gute, es gab auch sehr schlechte Jahre.
Wie waren die nicht so guten Zeiten?
Das waren Zeiten als die Besucher weniger wurden, die Zahlungen aber gleich blieben. Das war Anfang der 90er, als in Lam die Gastronomie mehr wurde und viele Gäste nicht mehr zu uns kamen, weil das Lokal ein bisschen außerhalb von Lam lag. Auch war es in dieser Zeit selbstverständlich, dass jedes Haus seine eigene Live-Musik hatte. Früher verlangten wir immer ein bisschen Eintrittsgeld. Drei bis vier DM, aber dann versuchte man den Kunden mit der Musik zu locken. So kostete es keinen Eintritt mehr und man musste die Musik aus der eigenen Tasche zahlen.
Wenn man gute Zeiten erlebt hat- wie geht man emotional mit den Rückgang um?
Gust: Der Rückgang hatte schon eine sehr starke Wirkung auf mich gehabt. Ich kannte das Lokal von Anfang an. Ich hab es selber miterlebt wie das Geschäft zurückging, wie das Leben schwieriger wurde und wie es dann auch an der Familie nagen kann. Wir haben es dann noch mehr recht als schlecht über die Bühne gebracht. Aber die Zeit war sehr hart und es war für die Familie schon eine Bewährungsprobe.
Nina: Aber man hat es auch akzeptiert und hat nicht krampfhaft weitergemacht.
Gustl: Man hat es akzeptieren müssen. Weil, wie gesagt, jeder Betrieb hat bestimmte Zahlungen und man überlegt sich immer wieder: Ist das ein Betrag, den man noch tragen kann. Man schaut sich das über zwei bis drei Jahre an. Auch war mir klar, dass ich es nicht weiter machen würde, ich hatte ja meinen eigenen Beruf. Deswegen beschlossen schließlich meine Eltern, es so lange zu machen bis es nicht mehr für sie ging.
Nina: Ich kann mich erinnern, dass ihr es länger als nötig gemacht habt.
Gust: Man hatte die Hoffnung, dass es vielleicht besser werden würde.
Wie war der letzte Tag?
Gust: Der letzte Tag ist schon 19 Jahre her. Ich weiß noch, es war am Jahresende. Wir hatten keinen Silvesterball mehr, aber wir waren noch beieinander und haben ein bisschen gefeiert. Es war eine Mischung aus Traurigkeit und Erleichterung, aber ich glaube es war die richtige Entscheidung. Das haben wir auch später immer wieder gesagt. Es gab nie die Worte: hätten wir es doch weitergemacht.
Was passierte nachher?
Gust: Wir hatten selber 1990 ein Haus gebaut. Auch war das Haus renovierungsbeduerftig. Deswegen stand es für uns außer Frage in das Haus zu ziehen. 2008 starb die Tante und 2009 starb meine Mutter. Mein Vater lebte dort noch bis 2013. Es fiel ihm schwer, aber wir konnten ihn endlich auch überreden zu seiner Schwester zu ziehen. Sie wohnte ja auch alleine in dem Dorf. Es war schwierig für ihn, denn mit der Zeit wurde ihm alles genommen. Zuerst seine Tante, dann seine Frau, dann sein Führerschein und dann sein Zuhause, wo er fast sein gesamtes Leben gewohnt hatte.
Und was passierte mit dem Haus?
Gust: Seit der Schließung des Lokals versuchten wir das Haus immer wieder zu verkaufen. Wir fingen schon früh an, mit dem Bewusstsein, dass es länger dauern würde. Wir versuchten es immer wieder- mal mehr, mal weniger. Es kamen auch immer Interessenten, aber die hatten entweder keine wirkliche Vorstellung oder stimmten mit unseren Vorstellungen überein.
Nina: Es war schon eine schwer vermittelbare Immobilie.
Gust: Man muss wirklich sagen, wir haben über die ganzen Jahre probiert das Haus zu verkaufen und es hat nie funktioniert. Und dann vier Wochen nach dem Tod kam jemand der an dem Lokal interessiert war. Der hatte genaue Vorstellungen, was er damit anfangen möchte, der das Haus so lassen wollte wie es war. Der aber auch nicht blauäugig die Sache anpackt und auch noch nett ist und bei dem hat man wirklich das Gefühl hat, er weiß was er tut. Im Endeffekt kann man sagen, dem Mann hat uns ein Engel geschickt.
Wie geht es euch heute ohne das Lokal?
Nina: Es hört sich vielleicht etwas herzlos an, wenn man sagt wir freuen uns. Aber man muss wissen, es war einfach immer für uns eine Belastung. Auch trägt es zur Freude bei, dass wir wissen, dass es in guten Händen ist. So können wir selber damit abschließen- auch für meine Großeltern.
Könnt ihr euch an den schönsten Moment erinnern?
Gust: Der schönste Moment war als ich kurz nach der Geburt von Nina mit ihr ins Lokal gekommen bin. Ich werde nie das Leuchten von Mami, Tante und Papi vergessen. Aber es gibt so viele schöne Momente, wie Papis 70. Geburtstag. 1998. Den feierten wir im Lokal, als es schon geschlossen war. Viele alte Musiker, die bei uns spielten waren gekommen und haben mit uns gefeiert. Es waren vielleicht 20 oder 30 Musiker. Die machten alle Musik, Volksmusik und dann Schlager, aber dann vor allem Papis Wiener Musik. Die hat er sich auch selber gewünscht.
Zwischen Wiener Musik und Diskokugeln
April 2015, Lam, Deutschland
Beitrag über das Tanzcafe in Lam für das Magazin Muh.
Feature about the dancing cafe in lam for the magazine Muh.
Es war das Tanzcafé in der Gegend. Dort wo man gesehen und gesehen wird. Eines das seines Gleichen suchte, das Besucher aus der Gegend und darüberhinaus regelmäßig an sich zog. Mit dem Chef, dem August Kroner, ein Chamour. Jemand der die Frauen um den Finger wickeln konnte halt. Der immer lächelte und gute Laune hatte, immer einen lockeren Spruch auf den Lippen hatte, einer der den Raum erstrahlen lies und jedes Lied mit jedem Instrument spielen konnte. Ein Showstar eben.
August Kroner und sein Tanzcafé „Kroner“, ein Lokal in dem kleinen Markt Lam, an der nördlichen Grenze des Bayerischen Waldes, erlangten in den 70er und 80er Jahren ein wenig Berühmtheit. 1996 wurde das Tanzcafé geschlossen.
August Kroner ist sein Sohn. Aufgewachsen in dem Tanzcafé war er von Anfang bis Ende dabei. Nina Kroner ist dessen Tochter und Augusts Kroners Nichte und ist kurz bevor das Café geschlossen wurde, geboren. Ein Rückblick auf eine vergangene Ära des Paartanzens, der Zelebrieren der Volksmusik, Schlager und Popmusik und der süßen Unterhaltung fern von DJs und Großraum Diskos.
Was ist deine erste Erinnerung an das Café Kroner?
Gust: Mit zwei bis drei Jahren fangen meine ersten Erinnerungen an das Café an. Ich Weiß noch, dass ich mich sehr für die Musik interessiert habe. Ich hab selber als junger Mann dort bedient und mit abgeräumt. Im Hintergrund hat immer die Musik gespielt und ich habe die Musiker zum Teil selber kennengelernt. Deswegen mag ich Musik. Auch Musik, die sehr untypisch ist.
Nina: Du kennst auch die Musiktexte auswendig. Manchmal fragte ich mich woher du es kennst. Aber ist ja klar, wenn man Weiß, dass du mit Musik aufgewachsen bist.
Wie waren die Anfänge des Cafés?
Gust: Die Anfängen des Cafés waren vor meiner Zeit. Anfang der 40er Jahre wurde das erste Café Kroner von Alois und Monika Kroner, meinem Großvater und meiner Großmutter, gegründet. Das war aber noch in Lam selber und war nur ein Café und Konditorei, da Opa gelernter Konditor war. 1957 haben sie das Haus, wo das heutige Café steht, gebaut und sind 1958 eingezogen. Vater hat Konditor nach der Kriegszeit in Landshut gelernt. Er hat in den 50er Jahren das Café mit aufgebaut und, da er sein ganzes Leben lang Musik gemacht hat, schien es selbstverständlich ein Tanzcafé einzuführen.
Nina: Es war auch eine Zeit, in der man überall ein Tanzcafé hatte, bloß in der Lam noch nicht. Vielleicht hat er da ein Marktlücke entdeckt.
Gust: Es war damals das erste und einzige Tanzcafé in der Umgebung.
Welche Musikinstrumente hat dein August Kroner gespielt?
Gust: Mein Vater spielte eigentlich immer Bass, Gitarre, Geige, Schlagzeug
Nina: und Gesang
Welche Musikrichtungen spielte er?
Gust: Die Musik, die aktuell war. Querbeet von Rock’n Roll bis Volksmusik und er hat immer überall mitgespielt. Papi war auch ein Freund der Wiener Musik. Das war seine Herzensangelegenheit. Diese Musik liebte er noch mehr als seine Tanzmusik.
Wie kann man sich so ein Tanzcafé vorstellen?
Gust: In den guten Zeit des Cafés, in der noch Viele in das Tanzcafé gegangen sind, hatten wir vier mal die Woche Tanzveranstaltung. Zweimal Tanzen und zweimal Wiener Abende. Das kann man sich fast nicht mehr vorstellen. Es gab immer Live-Musik. DJs gab es damals noch nicht. Jeden Sommer gab es eine andere Band und im Winter auch. Papi hat immer entschieden welche Musik gespielt wurde. Er hat woanders gespielt und dann hat er auch Musiker kennengelernt und eingeladen in Lam zu spielen. Er hat sich immer an der gängigen Musikrichtung orientiert. In den 60igern wurde Beat und Rock ‘n Roll gespielt, in den 70 ern Schlager und alles was so aktuell war.
Der Bayerische Wald war ja in der Zeit sehr verschlossen. Wie haben die Leute diese Musik aufgenommen?
Gust: Ich glaub, es ist bei den jungen Leuten ganz gut angekommen. Zwar sagte man damals, dass die Gegend mit der Grenznaehe sehr zurückgeblieben sei, aber, zumindest zu meiner Jugendzeit, wollte Jugendliche auch etwas erleben. Und wenn jemand weggeht und dann wieder kommt, dann nimmt man das gerne an. Deswegen sagte mein Vater auch immer: es war eine ganz tolle Jugend.
Wie wurde das Café geführt?
Gust: Meine Mutter hat das ganze Wirtschaftliche gemacht. Wir haben später auch ausgekocht, also Essen angeboten. Das hat Mami und Tante übernommen. Mein Vater war viel unterwegs. In den Sommermonaten war er daheim. In den Wintermonaten auch, wenn viel los war. Dazwischen war er in Orten wie Plattling, Niederbayern, zum Musikmachen. Während seiner Wegfahrten hat er sich mehr musikalisches Wissen angeeignet und hat dieses Wissen mit nach Hause gebracht.
Wie lief das Tanzcafé über die Jahre?
Die besten Zeiten waren die 80er bis Mitte der 90er Jahre. Wir konnten später, als die Terrasse überdacht war, 180 Besucher unterbringen und im Schnitt war das Lokal immer über die Hälfte gefüllt. Unter der Woche hatten wir so 80 bis 120 Gäste- im Durchschnitt. Später haben wir auch Abends und Mittags ausgekocht. Es gab eine gute bayerische Küche und auch unsere Nachbarin hat immer in der Küche geholfen wenn es eng wurde. Wer Essen wollte kam früher. Die Musik selber ging um 8 Uhr los und spielte so bis gegen 12.
Es wird gesagt das Café Kroner, sei in den 80ern der Ort schlechthin zum Tanzen gewesen- Was denkst du?
Gust: Die Adresse von Mami und Papi war eine gute Adresse. Ich selber habe es anfangs nicht kapiert, weil ich zu jung dafür war. Mit der Zeit merkte ich auch, dass die Gäste aus verschiedenen Orten kamen. Mittwoch bis Samstag kamen auch immer die Gleichen. Später wurde mir bewusst, warum die Leute immer wieder kamen und dass es eine sehr gute Adresse war.
Nina: Hat man sich eigentlich schick angezogen?
Gust: In der Zeit der 50er bis 70er ist man auf den Veranstaltungen schon adrett angezogen gekommen. Anzug, Krawatte und Weiße Hemden. Man hat sich aber natürlich immer der Zeit angepasst.
Welches Publikum hattet ihr?
Gust: Das Publikum war gemischt. So gab es Feriengäste und lokale Gäste. Nachdem der Vater die Musik sehr gut beherrschte sind sehr viel Auswertige gekommen. Und so wie mein Vater und Mutter alt wurden, wurden mit ihnen auch die Stammgäste alt. Und die neue Generation interessierte sich für andere Dinge.
Betrachtet man das Tanzcafé gibt es ungewöhnliche Einrichtungsgegenstände wie die Spiegelwand oder die Sterntapete- wer war für die Einrichtung verantwortlich?
Gust: Mamis und Papis Café war für mich zeitlos. Es hat sich immer wieder angepasst, aber die Grundstruktur ist die Gleiche geblieben. An der Einrichtung sieht man schon, dass es sehr viele verschiedene Zeiten durchlebt hatte. Das Dekor und Einrichtungsgegenstände wie den Bezug und die Tischdecken waren von Mami.
Nina: Man muss sagen, dass Opa schon sehr künstlerisch veranlagt war und dass er viel selber gemacht hat. Relativ einfache Sachen wie die Spiegel mit doppelseitigen Klebeband an der Wand zu befestigen. Aber mit viel Liebe. Wie zum Beispiel der Sternenhimmel.
Gust: In der Anfangszeit hat er viel gemacht. Wie der Ballon. Der besteht aus ganz vielen Spiegelstücken. Den sah man zehn Jahre später auch in anderen Lokalen und Diskos. Er hat hat den Ball, glaube ich, geschenkt bekommen. Jemand wollte ihn wegwerfen. August wollte ihn dann aufhängen und hat dann gemerkt, dass er reflektiert und dann hatte er ihn immer mehr verbessert. Auch hat er den Raum und die Farben immer wieder verändert und der Zeit angepasst. Als in den 70er Jahren die wilde Zeit gekommen ist, hat er grellere Farben benutzt. Oder er hat Trennwände mit Kunstweintrauben und Blättern gekauft. Er hat die an den Wiener Musikabendenen zwischen die einzelnen Tischen gestellt, als würde man draußen im Weingarten sitzen. Angenommen, ich war mal vier Wochen weg, dann hat es ganz anders ausgesehen.
Eine andere Sache, die ich gehört habe war, dass er sehr charmant war er und eine unglaubliche Wirkung auf Frauen hatte. Stimmt das?
Gust (lacht): Das kann ich nur bestätigen.
Nina: Ich glaube das Äußerliche war sehr ansprechend und dann war er auch noch ein Musiker, bei dem man sicher denken kann, er wäre etwas draufgängerisch.
Gust: Er war immer anwesend. Auch wenn er nicht Musik machte. Er war immer am Eingang und begrüßte immer alle Gäste. Obwohl er auf Frauen eine sehr gute Wirkung gehabt hat, war er auch immer zu den Begleitern sehr nett.
Nina: Und zudem hat er etwas gemacht, dass ihn sehr gut bekommt hat. Das ist schon ansprechend auf Frauen. Da hat man schon besondere Wirkung.
Gust: Es gibt ein Lied, das ist von den Oberkreinern: Ein Musikant kennt kein Zuhause. Der Text trifft eins zu eins auf August zu. Der Text dreht sich um einen Musikanten der kein Zuhause kennt. Er ist immer präsent, er steht immer an vorderster Front. Er vermittelt echte Fröhlichkeit und Spaß, auch wenn er sich so gar nicht fühlt und so spielt er immer, nicht nur ein Instrument sondern auch sich selber. Hat man ein Restaurant, muss man vor den Leuten immer eine Rolle spielen, unabhängig davon wie man sich fühlt- und man muss sagen, es gab sehr gute, es gab auch sehr schlechte Jahre.
Wie waren die nicht so guten Zeiten?
Das waren Zeiten als die Besucher weniger wurden, die Zahlungen aber gleich blieben. Das war Anfang der 90er, als in Lam die Gastronomie mehr wurde und viele Gäste nicht mehr zu uns kamen, weil das Lokal ein bisschen außerhalb von Lam lag. Auch war es in dieser Zeit selbstverständlich, dass jedes Haus seine eigene Live-Musik hatte. Früher verlangten wir immer ein bisschen Eintrittsgeld. Drei bis vier DM, aber dann versuchte man den Kunden mit der Musik zu locken. So kostete es keinen Eintritt mehr und man musste die Musik aus der eigenen Tasche zahlen.
Wenn man gute Zeiten erlebt hat- wie geht man emotional mit den Rückgang um?
Gust: Der Rückgang hatte schon eine sehr starke Wirkung auf mich gehabt. Ich kannte das Lokal von Anfang an. Ich hab es selber miterlebt wie das Geschäft zurückging, wie das Leben schwieriger wurde und wie es dann auch an der Familie nagen kann. Wir haben es dann noch mehr recht als schlecht über die Bühne gebracht. Aber die Zeit war sehr hart und es war für die Familie schon eine Bewährungsprobe.
Nina: Aber man hat es auch akzeptiert und hat nicht krampfhaft weitergemacht.
Gustl: Man hat es akzeptieren müssen. Weil, wie gesagt, jeder Betrieb hat bestimmte Zahlungen und man überlegt sich immer wieder: Ist das ein Betrag, den man noch tragen kann. Man schaut sich das über zwei bis drei Jahre an. Auch war mir klar, dass ich es nicht weiter machen würde, ich hatte ja meinen eigenen Beruf. Deswegen beschlossen schließlich meine Eltern, es so lange zu machen bis es nicht mehr für sie ging.
Nina: Ich kann mich erinnern, dass ihr es länger als nötig gemacht habt.
Gust: Man hatte die Hoffnung, dass es vielleicht besser werden würde.
Wie war der letzte Tag?
Gust: Der letzte Tag ist schon 19 Jahre her. Ich weiß noch, es war am Jahresende. Wir hatten keinen Silvesterball mehr, aber wir waren noch beieinander und haben ein bisschen gefeiert. Es war eine Mischung aus Traurigkeit und Erleichterung, aber ich glaube es war die richtige Entscheidung. Das haben wir auch später immer wieder gesagt. Es gab nie die Worte: hätten wir es doch weitergemacht.
Was passierte nachher?
Gust: Wir hatten selber 1990 ein Haus gebaut. Auch war das Haus renovierungsbeduerftig. Deswegen stand es für uns außer Frage in das Haus zu ziehen. 2008 starb die Tante und 2009 starb meine Mutter. Mein Vater lebte dort noch bis 2013. Es fiel ihm schwer, aber wir konnten ihn endlich auch überreden zu seiner Schwester zu ziehen. Sie wohnte ja auch alleine in dem Dorf. Es war schwierig für ihn, denn mit der Zeit wurde ihm alles genommen. Zuerst seine Tante, dann seine Frau, dann sein Führerschein und dann sein Zuhause, wo er fast sein gesamtes Leben gewohnt hatte.
Und was passierte mit dem Haus?
Gust: Seit der Schließung des Lokals versuchten wir das Haus immer wieder zu verkaufen. Wir fingen schon früh an, mit dem Bewusstsein, dass es länger dauern würde. Wir versuchten es immer wieder- mal mehr, mal weniger. Es kamen auch immer Interessenten, aber die hatten entweder keine wirkliche Vorstellung oder stimmten mit unseren Vorstellungen überein.
Nina: Es war schon eine schwer vermittelbare Immobilie.
Gust: Man muss wirklich sagen, wir haben über die ganzen Jahre probiert das Haus zu verkaufen und es hat nie funktioniert. Und dann vier Wochen nach dem Tod kam jemand der an dem Lokal interessiert war. Der hatte genaue Vorstellungen, was er damit anfangen möchte, der das Haus so lassen wollte wie es war. Der aber auch nicht blauäugig die Sache anpackt und auch noch nett ist und bei dem hat man wirklich das Gefühl hat, er weiß was er tut. Im Endeffekt kann man sagen, dem Mann hat uns ein Engel geschickt.
Wie geht es euch heute ohne das Lokal?
Nina: Es hört sich vielleicht etwas herzlos an, wenn man sagt wir freuen uns. Aber man muss wissen, es war einfach immer für uns eine Belastung. Auch trägt es zur Freude bei, dass wir wissen, dass es in guten Händen ist. So können wir selber damit abschließen- auch für meine Großeltern.
Könnt ihr euch an den schönsten Moment erinnern?
Gust: Der schönste Moment war als ich kurz nach der Geburt von Nina mit ihr ins Lokal gekommen bin. Ich werde nie das Leuchten von Mami, Tante und Papi vergessen. Aber es gibt so viele schöne Momente, wie Papis 70. Geburtstag. 1998. Den feierten wir im Lokal, als es schon geschlossen war. Viele alte Musiker, die bei uns spielten waren gekommen und haben mit uns gefeiert. Es waren vielleicht 20 oder 30 Musiker. Die machten alle Musik, Volksmusik und dann Schlager, aber dann vor allem Papis Wiener Musik. Die hat er sich auch selber gewünscht.
Fotos/Text: Evi Lemberger
Publikation: Muh 17